Sudetendeutscher Kommunalkongress in Pilsen

 
Die „Sudetendeutsche Landsmannschaft (SL)“ lud in Zusammenarbeit mit dem Sudetendeutschen Heimatrat zu einem Kommunalkongress der Sudetendeutschen Landsmannschaft nach Pilsen ein. Tschechische und deutsche Kommunalpolitiker, ihre sudetendeutschen Partner sowie Vertreter der deutschen Minderheit in der Tschechischen Republik sollen durch Fachvorträge und Erfahrungsaustausch Anregungen für die weitere Vertiefung ihrer Zusammenarbeit erhalten.

 

Der Beginn am Freitag….

Den Kongress eröffnete Siegbert Ortmann, stellv. Bundesvorsitzender der SL. Er begrüßte alle Anwesenden und erwähnte in seiner Begrüßung auch seinen Geburtsort, den ich sehr gut kenne, nämlich Wiesengrund (Dobrzan). Auch das Thema der Verarbeitung der eigenen Vergangenheit fand in seiner Ansprache ihren Platz. Die zweite Begrüßung richtete an die Versammelten Prof. Rudolf Kučera, Präsident der Paneuropa- Union in der Tschechischen Republik. Das wohl wichtigste Grußwort sprach Jan Čižinský, Bürgermeister in Prag 7. Im zweiten Bock wurden Projekte der grenzüberschreitenden Vernetzung vorgestellt. Als erste stellte die Präsidentin der „Euregio Egrensis“, Frau Dr. Birgit Seelbinder, Projekte vor. Hans Schaidinger, Oberbürgermeister a.D. von Regensburg berichtete über die Wichtigkeit der Partnerschaften. Regensburg hat seit 1993 eine Partnerschaft mit Pilsen. „Eine ganz wichtige Rolle spielen die einzelnen Persönlichkeiten“, so Schaidinger. Er erzählte auch über die ganz besondere Art, wie die Pilsner nach ihrem Partner mit einer Blaskapelle vor dem Regensburger Rathaus im Jahre 1993 suchten. „Wenn man diese Partnerschaft nach mehr als zwanzig Jahren auswertet, kann man sagen, dass beide Städte davon nur profitierten“, so Schaidinger. Seine Rede wurde zum Schluss durch ein Feuerwerk ein wenig gestört. Ob es die Demonstranten waren, die in einer geringen Zahl gegen den Kongress protestierten, wird man anscheinend nie erfahren. Als ein ganz besonderer Gast kam der Organisator des „Brünner Lebensmarsches“, Herr Jaroslav Ostrčilík aus Brünn. In einem ganz netten, leicht österreichischen Dialekt sprach er über die Lage in Brünn, speziell über den „Brünner Lebensmarsch“. Das ganze Jahr 2015 stand unter dem Thema „Jahr der Versöhnung“. Im Jahre 2015 fand dieser „Lebensmarsch“ schon zum achten Mal statt. Den ersten Marsch gingen nur drei Menschen mit, in diesem Jahr fast tausend! An diesem Beispiel kann man sehen, dass auf der kommunalen Ebene eine ganz andere, sogar zwischenstaatliche Wirkung erreicht wird.


 


Volles Programm am Samstag….
 

Die Versammlung eröffnete Dr. Günther Reichert, Vorsitzender des „Sudetendeutschen Sozial- und Bildungswerks“. Er erwähnte das Jahr 1973, in dem die ersten Ideen über Partnerschaften entstanden. Den Anfang machte Krakau in Polen. Auch der Brünner Oberbürgermeister machte sich schon im Jahre 1979 nach Nürnberg auf den Weg, um nach einer Partnerschaft zu suchen. In seinem Vortrag hat mir am meisten das Beispiel von der „doppelten“ Mariensäule auf dem Marktplatz in Braunau gefallen, die renoviert ist und es beteiligten sich beide Seiten: sowohl Deutsche, als auch Tschechen.   Mit dem Vortrag „Bayerisch-tschechische Projekte und das Zusammenwachsen im Herzen Europas“ kam die Regierungspräsidentin von Oberfranken, Frau Heidrun Piwernetz nach Pilsen. Sie erwähnte, dass es Zusammenarbeit zwischen drei Landkreisen und 83 Gemeinden gibt.  Auch in dem Kulturprogramm „Europäische Kulturhauptstadt 2015 Pilsen“ war Bayern vertreten. In ihrer Ansprache erwähnte sie die starke Wirtschaft in Oberfranken. Unternehmer in Oberfranken melden z.B. doppelt so viele Patente an, wie der Bundesdurchschnitt. Blue Jeans und der MP3-Player haben eines gemeinsam: Sie sind von Oberfranken erfunden worden. Piwernetz erwähnte auch das Projekt „Clara“ – Entwicklung der gemeinsamen partnerschaftlichen Zusammenarbeit.

Um elf Uhr stand eine Podiumsdiskussion auf dem Programm. Das Thema: „Deutsche in der Tschechischen Republik sowie Sudetendeutsche und Tschechen in Deutschland als Bindeglied zwischen beiden Ländern“. Es wirkten mit: Martin Dzingel, Präsident der „Landesversammlung der deutschen Vereine in der Tschechischen Republik“, Irene Novák, Vorsitzende des „Kulturverbandes -Verband der Deutschen und Freunde der deutschen Kultur in der Tschechischen Republik“, Lída Rakušanová, Journalistin, Simona Fink, Koordinierungsstelle Bayern -Tschechien -Grenzüberschreitendes Netzwerkmanagement und Peter Barton, Leiter des Sudetendeutschen Büros in Prag. Die Moderation übernahm Steffen Hörtler, stv. SL-Bundesvorsitzender. Frau Fink stellte praktische Beispiele der Zusammenarbeit zwischen Bayern und Tschechien, speziell im Pilsner und Karlsbader Bezirk, sowie in Südböhmen vor. Martin Dzingel sprach vor allem über die Brückenfunktion der Landesversammlung. Irene Novák erwähnte zum Beispiel die Partnerschaft zwischen Gablonz und Kaufbeuren, die schon kurz vor der Wende angestrebt war. Lída Rakušanová erwähnte die Aufgabe für die Tschechen, mit sich selber im Klaren zu sein, ansonsten wären sie manipulierbar. Peter Barton berichtete über die Besucher im Sudetendeutschen Büro, die zum Gespräch und wegen Rat kommen.

 

 

Prinz spricht sein Grußwort…..

 
Das Grußwort nach dem Mittagessen sprach zweisprachig Prinz Vladimír Lobkowicz, Bürgermeister des Stadtbezirks Pilsen 5- Křimice. Das nächste Thema war „Föderalismus und Selbstverwaltung von der Habsburger Monarchie bis zur Europäischen Union“. Als erste kam zu Wort Frau Nina Nováková, MP, aus dem Tschechischen Parlament. Die ersten Gedanken gehörten der Rolle einer klassischen Familie: Vater, Mutter und Kinder. Frau Nováková wohnt in Brandýs a.d. Elbe. Dort verbrachte eine schöne Zeit der letzte böhmische König Karl I. Habsburg mit seiner Frau Zita. Schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts versuchte Österreich – Ungarn seinen Vielvölkerstaat im föderalistischen Gefüge zu führen. Nach dem Zerfall Österreich- Ungarns konnte man sehen, wenn sich Völker alleine auf ihren Weg machen, wie das endete. Bernd Posselt, Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, fing sein Referat mit einer Geschichte über sein erstes Wirken im Europäischen Parlament an, als er als Mitarbeiter Otto von Habsburgs wirkte. Das Hauptthema, was ich mir merken werde, ist die Stärkung der Kommunalen Verwaltung gegenüber dem Zentralismus.  
 

Partner stellen sich vor…..
 

Den letzten Block bildeten die Beispiele der Zusammenarbeit unter dem Titel „Patenschaften und Partnerschaften - Motor der Zusammenarbeit.“
Es folgten Präsentationen der Städte u. a. Augsburg - Reichenberg/Liberec mit den Initiatoren Sonja Hefele und Jiří Šolc, Nürnberg - Prag/Praha mit: Daniel Nevaril, Regensburg - Pilsen/Plzeň mit dem Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs und Prinz Vladimir von Lobkowicz, Bürgermeister des Stadtbezirks Pilsen/Plzeň 5-Krimice
Schönsee - Ronsperg/Poběžovice mit den Bürgermeistern Josef Höcherl und Hynek Říha.
Die Moderation übernahm Klaus Hoffmann, stv. SL-Bundesvorsitzender. Als zwei wichtige Themen kam die Ausbildung zu Wort und bei den tschechischen Partnern vor allem Ausdauer.

Noch kurz bevor die Sitzung beendet wurde, sprach Oliver Engelhardt vom „Deutsch-tschechischen Zukunftsfonds“ über die Möglichkeiten der Finanzierung von Projekten.

Der Abend klang in der Pilsner Urquell-Brauerei mit Gesprächen und einem Abendessen aus.

 

Gottesdienst in der Pilsner Kathedrale….
 
Der Sonntag gehörte dem Festgottesdienst in der Pilsner St. Bartholomäus-Kathedrale. Zelebrant war der Domdekan Monsignore Emil Soukup. Die Lesungen wurden zweisprachig vorgetragen. Nach dem Abschluss hielt der Sprecher Bernd Posselt noch eine Ansprache, die einen großen Beifall erhielt.


Richard Šulko