"Bund der Deutschen in Böhmen, e.V.", Sitz: Netschetin / Nečtiny in Tschechien ist ein Verein der deutschen Minderheit in Westböhmen.

Vereinszweck:

  • Erhalt der deutschen Sprache und des „Egerländer Kulturerbes“
  • Schutz der Interessen der deutschen Minderheit
  • Völkerverständigung, insbesonders zwischen GER und CZE

Erntedankfest im ostböhmischen Crudim
(30. 8. – 1. 9. 2024 in Crudim/Chrudim)

Richard Šulko

 

Für das letzte August-Wochenende bekamen die Egerländer Volkstanzgruppe „Die Målas“ und das Duo „Målaboum“ eine besondere Einladung: Die Folkloregruppe „Kohoutek“ (Hänchen) aus Crudim bei Pardubitz organisierte das alljährliche Erntedankfest. Dabei sind immer Gäste, auch aus dem Ausland. Das Erntedankfest ist ein dreitägiges Folklorefestival, welches seit 1993 regelmäßig stattfindet. Im Jahre 2024 feiert die Folkloregruppe Hänchen ihr 40-jähriges Jubiläum! Das Fest ist eine Show der besten Folkloreensembles aus der Tschechischen Republik, verbunden mit dem Gottesdienst am Sonntag. Am Freitagabend fand ein Konzert von Kateřina Marie Tiché statt, gefolgt von Auftritten von Folkloregruppen. Am Samstag wird nicht nur für Kinder, sondern auch für alle anderen Besucher ein reichhaltiges Programm vorbereitet, nämlich gutes Essen und Trinken, lokale Brauereien und ein Jahrmarkt. Den krönenden Abschluss der Ernte bildet das Hauptprogramm „Das Beste aus der Ernte“. Am Sonntag findet in der Kirche Mariä Himmelfahrt ein traditioneller Gottesdienst statt.

Am Freitag, den 30. August ist der Kleinbus mit den „verbliebenen Egerländern“ also Richtung Ostböhmen gestartet. Weil es der letzte Arbeitstag in den Sommerferien war, konnte man Probleme mit dem Verkehr erwarten, was sich auch speziell in Prag zeigte. Zum Abendessen in Crudim sind die Egerländer aber rechtzeitig gekommen. Nach dem schnellen Umziehen in die Trachten eilten wir in den alten Klostergarten, wo zuerst musikalische Einladungen fürs ganze Wochenende von folgenden Folkloregruppen folgten: von der Folkloregruppe „Gaudeamus“ aus Prag, von der Ökonomischen Hochschule, weiter „Der Målaboum“ und der Folkloregruppe „Jiskra“ (Funke) aus Pilsen.  Bei der folgenden „Folklorenacht“ am Hauptpodium kamen noch Gäste aus Finnland dazu: die Folkloregruppe „Riinat ja Rikut,“ aus Hollola. In Tschechien ist es üblich, dass diese Gruppen professionell mit einem Choreographen arbeiten, so dass die Vorführungen sehr umfangreich und mit viel „Aktion“ verbunden sind. Die Egerländer halten sich jedoch an die überlieferten volkstümlichen Tänzer und Volkslieder, so dass man eine ursprüngliche Form dieser Volkskunst sehen kann. Das bestätigte auch Frau Kamila Skopová, eine in der Moldau getaufte Künstlerin und Schriftstellerin. Sie ist Absolventin der Mittelschule für Angewandte Kunst in Prag. Seit 1972 studierte sie neben ihrem Beruf Ethnographie. Sie arbeitet mit zahlreichen Folklore-Ensembles zusammen und ist Autorin zahlreicher Ausstellungen über Volksbräuche und Traditionen, Nachbildungen von Volkstrachten und Gegenständen. Sie unterrichtet Volkskleidung in der Schule für Volkstumstraditionen. Als das Egerer Museum für die Zweigstelle in Miltigau Besucherunterlagen vorbereitete, wirkte Frau Skopová auch mit: mit der Ausschneidekrippe und Trachtenbastelei für Kinder.

Trachtenumzug und Hauptprogramm…

Kurz nach neun Uhr startete von der Statue des Josef Ressel (ein gebürtiger Crudimer und Erfinder des Schiffspropellers) der Trachtenumzug. Mit musikalischen Darbietungen und Volkstanz zog man in den Klostergarten, in welchem der Jahrmarkt schon im vollen Gange war. Gut war, dass es in diesem alten Klostergarten alte Obstbäume gibt, denn es war wieder ein sehr heißer Tag mit 30 Grad im Schatten und das ist für die Zuschauer ganz schön anstrengend. In den musikalischen Kurzeinladungen traten alle Gruppen auf, um die Besucher zum Hauptprogramm am Nachmittag einzuladen. Nach dem Mittagessen empfang die Vertreter der Gruppen der Bürgermeister der Stadt, Herr František Pilný. Diese Feststunde wurde in der sehr teuer renovierten Klosterkirche veranstaltet, die zum Museum der Barockkunst umgewandelt wurde. Jeder Vertreter konnte etwas zu seiner Gruppe sagen und bekam von dem Bürgermeister auch kleine Geschenke. Nach der Vorstellung der Egerländer Volkstanzgruppe und des Schicksals der „verbliebenen“ Egerländer sagte der Bürgermeister „Das Schicksal kenne ich sehr gut. Ich weiß auch, dass dieses Schicksal der Deutschen in der tschechischen Bevölkerung nicht sehr  bekannt ist. Ich kenne sogar ein Beispiel einer Gedenkplatte, die an diese Leute erinnert und die nach einer Hausrenovierung verschwand.“  Um 15 Uhr startete dann das Hauptprogramm: in den 90 Minuten wurden die verschiedensten Szenen gezeigt, getanzt und gespielt. Den wohl originellsten Beitrag brachte die finnische Gruppe: ein musikalisches Volkstanzspiel, im welchen die Männer voll betrunkene Gestallten spielten. Mir hat am meisten Freude eine Begegnung bereitet: eine Frau sprach mich an: „Ich bin zum Fest nur wegen ihrer Gruppe gekommen, weil mein Vater aus dem Egerland stammt, aus der Nähe von Podersam.“ So etwas erwärmt das Herz.

Zither bei der hl. Kommunion….

Den Abschluss des Festes bildete der Gottesdient in der Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt auf dem Marktplatz. Bei der hl. Messe spielten wieder mehrere Folkloregruppen. Es ist ein wunderbarer Blick in die Kirchenbänke, die mit so vielen Trachtenträgern besetzt sind. Für den Zitherklang vom Vojtěch Šulko und den Gesang vom Måla Richard wurde der Augenblick ausgewählt, als die hl. Kommunion ausgeteilt wurde. In diese stille Zeit passte das Lied „Kaiserwåld“ wohl am besten. In einer sehr großen Kirche so etwas zu spielen ist schon ein ganz besonderes Erlebnis. Nach dem Gottesdienst spielten die Gruppe noch vor der Kirche und dann hieß es nur: „auf Wiedersehen.“  Ich möchte mich noch einmal für die Einladung und Gastfreundschaft bedanken: es war für unsere ganze Gruppe ein super Erlebnis und vor allem: wir haben das Egerländer Volkstum wieder vor hunderten von Menschen präsentieren können.