Frag deinen Opa…
(Gedenken der wilden Vertreibung und Opfer des 3. Juni 1945 in Postelberg und Saaz
Richard Šulko
Das Saazer „Verschönerungskollektiv,“ unter der Führung vom Martin Kos, organisierte am 3. Juni schon zum fünften Mal eine Gedenkstunde zur Vertreibung der deutschen Bevölkerung im Mai 1945. Nachdem damals die sowjetischen Truppen abgezogen waren, wurden zwischen dem 3. und 7. Juni 1945 auf dem Kasernengelände in Postelberg mindestens 763 deutsche Männer und Jungen im Alter von 12 bis über 60 Jahre im Internierungslager gefoltert und erschossen. Zu dieser Gedenkstunde gehört schon der dritte Schüler-Gedenkmarsch von Postelbarg nach Saaz, der von Schülern des Jan-Kepler-Gymnasiums in Prag und des Václav-Hlavatý-Gymnasiums in Louny organisiert wird. In diesem Jahr nahm zum ersten Mal auch die tschechische und deutsche Öffentlichkeit teil.
Kurz vor zehn Uhr versammelten sich Studenten des Jan-Kepler-Gymnasiums aus Prag, des Kaadener Gymnasiums und mehrere Gäste aus nah und fern bei der Kultureinrichtung der Stadt Postelberg, wo sie vom Organisator des Erinnerungsmarsches von Postelberg nach Saaz, Herrn Petr Zemánek vom Prager Gymnasium begrüßt wurden. An den Bänken waren schon Listen mit den ermordeten deutschen Bewohnern aus Saaz und Postelberg ausgelegt und jeder Teilnehmer konnte sich einen Namen aussuchen und das Schild mit dem Namen an seinem Anzug festmachen. Pressemäßig waren die Tschechische Presseagentur, das Tschechische Fernsehen und ich für die deutsche Minderheitensendung „Nachbarn“ im Tschechischen Rundfunk anwesend. Der Versuch des Fernsehens eine Stellungname vom Postelberger Bürgermeister zu bekommen war aber erfolglos. Nach der Klärung der organisatorischen Fragen startete der Marsch. Nach dem Halt am Schloss neben der Kirche führten die Wege zum Kasernenplatz, wo die meisten Gräueltaten passiert waren. Zemánek, welcher in dieser Kaserne, von welcher nichts mehr übriggeblieben ist, seinen Militärdienst erlebte, erinnerte sich: „Ich musste zum Schluss meines Dienstes noch ins Gefängnis und half bei den Arbeiten im Garten, welcher sich etwa hier befand. Auf einmal kommt mein Freund Jiri aus Hanna in Mähren, der Metzger war, zu mir und zeigte mir Knochen auf seiner Hand. Ich sagte ihm ´das kommt von der Küche, die nebenan ist´ und er sagte mir: ´das sind keine Tierknochen, das sind Knochen von Menschen!“ Das wohl Schlimmste ist wohl nicht die Tatsache, dass die jetzigen Bewohner nichts von der Tragödie wissen wollen, oder sogar die Morde richtig finden, sondern der Zynismus, mit welchem auf den Leichenresten neue Häuser gebaut werden sollen. Wer könnte dort ruhig schlafen?
Kreuz am Fasanengarten und Hoffnung…
Beim Weitergehen Richtung Saaz, das sind etwa 18 Kilometer, begegnete die Gruppe in der Gartenkolonie einem alten Mann: Walter Urban, ein verbliebenen Postelberger, welcher im Juni 1945 seinen Vater verloren hat: „Dort oben habe ich meinen Vater verloren, welcher hier am 27. Juni 1945 ums Leben kam: er bekam eine Kugel. Tas tut mir sehr leid.“ Die Hoffnung für die Zukunft sind die Aussagen der Studenten, wie die vom Studenten Vojtěch Michalák aus Prag: „Ich bin hier, weil noch viele Menschen von diesen Ereignissen nichts wissen wollen, oder sogar die Morde als gerechte Vergeltung finden. Wir denken, dass es wichtig ist, an diese Geschehnisse zu erinnern. Wir sollen Ruhe in unseren Seelen finden.“ Neben dem Prager Gymnasium kamen auch Studenten des Kaadener Gymnasiums, angeführt von der Lehrerin Frau Marcela Svejkovská. „Diese Aktion ist sehr wichtig,“ sagte sie. „Ich schlug es den Schülern vor und wir sind hier mit neun Studenten.“
Man bräuchte viel, viel mehr wahrheitsbedürftige Studenten aus dem ganzen Sudetengebiet, die in ihren Familien nachfragen würden: „Lieber Opa, wie und warum konnte so etwas passieren?“
Etwa zwei Kilometer vom Zentrum Postelbergs liegt der Lewanitzer Fasanengarten, in welchem hunderte vor allem Frauen und Kinder umgebracht wurden. Auf dem 2022 aufgestellten Holzkreuz ist eine Metalltafel angebracht, mit dem zweisprachigen Text: „An nutzlosen Opfern 1945: dieses Kreuz steht nicht weit von den Massengräbern, die von der Parlamentskommission im Jahre 1947 gefunden wurden. Es geschähe zur Erinnerung an die ´Demozide´ der einheimischen deutschen Bevölkerung im Mai und Juni 1945. Herrn Bohumír Bunža und Opfern gewidmet.
Deutscher Botschafter auf dem Saazer Marktplatz…
Als die Wandergruppe nach Saaz kam, besuchte sie die örtliche Synagoge und dann kamen alle auf den Marktplatz, wo schon Martin Kos vom „Saazer Verschönerungskollektiv“ wartete. Auch seine Exzellenz Andreas Künne, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in der Tschechischen Republik von der Deutschen Botschaft in Prag, und Herr Radim Laibl, Bürgermeister von Saaz, mit mehreren Stadträten, nahmen die Einladung zur Teilnahme an der Gedenkfeier für die Opfer der Nachkriegsgewalt in Saaz auch an. Es wurden Blumen an der Dreifaltigkeitssäule niedergelegt und Kos brachte detailliert die Ereignisse aus 1945 vor. Nach Martin Kos sprach der Botschafter Andreas Kühne. In seiner Ansprache erwähnte er auch die Tatsache, wenn man sich nicht der Geschichte stelle, kommt sie in einem neuen Gewand zurück. Er erwähnte auch die Verantwortung Deutschlands für die mehr als 300 Tausend Opfer im Zweiten Weltkrieg in der Tschechoslowakei. Deutschland entschädigt die Opfer und hält die Erinnerung wach. Kühne erwähnte auch, dass die alten Gespenster wieder auftauchen. „Ich bin überzeugt, nur wer ehrlich in den Spiegel sieht, kann vermeiden alte Irrtümer und Fehler und Feinbilder wieder u beleben,“ so Kühne.
Ein Gebet zum Abschluss der Gedenkstunde sprach in Deutsch und Tschechisch der P. Mgr. Vilém M. Štěpán, O.Praem.