"Bund der Deutschen in Böhmen, e.V.", Sitz: Netschetin / Nečtiny in Tschechien ist ein Verein der deutschen Minderheit in Westböhmen.

Vereinszweck:

  • Erhalt der deutschen Sprache und des „Egerländer Kulturerbes“
  • Schutz der Interessen der deutschen Minderheit
  • Völkerverständigung, insbesonders zwischen GER und CZE

AEK – Begegnung 2023

(Marktredwitz, 21.- 22. 10. 2023)

Der „Arbeitskreis Egerländer Kulturschaffender“ lud zu seiner Begegnung nach Marktredwitz, die „Hauptstadt“ der Egerländer, ein. Kurz nach zehn Uhr Samstagvormittag ergriff das Wort Oswin Dotzauer, der Vorsitzende des Arbeitskreises, welcher sein Grußwort an alle Anwesenden richtete. In seiner Ansprache begrüßte er vor allem die Tatsache, dass man sich wieder treffen kann. Nach der Totenehrung folgten Grußworte: Mons. Karl Wuchterl erwähnte am Anfang seines Grußwortes den Krieg in Israel und Palästina und die vielen Opfer. Weiterhin erwähnte Wuchterl auch die Renovierung der Heimatkirchen im Egerland. Die 3. Bürgermeisterin von Marktredwitz, Christine Eisa erinnerte an die langjährige Arbeit des Arbeitskreises und empfahl den Besuch der Ausstellung „Reliefintarsien aus Eger“ im Egerländer Kulturhaus. Richard Šulko, der Vorsitzende vom „Bund der Deutschen in Böhmen“ erwähnte in seinem Grußwort die Aktivitäten des Bundes der Deutschen, welcher das Egerländer Kulturgut auch in ganz Tschechien präsentiert.

 

Nach den Grußworten folgte eine kurze Vorstellung des neuen AEK- Vorstandes. Als erster Vorsitzender stellte sich gleich Oswin Dotzauer vor. Danach folgten 2. Vors. Helmut Kindl, Stellvertretende Alexander Friedl und Gerald Deistler, Schriftführerin Ingrid Deistler, Kassiererin Helga Burkhardt, und stellv. Kassiererin Andrea Kopetz. Der erste Vortrag „Die Deutsche Ostsiedlung und das Egerland“ brachte Alexander Friedl aus Stuttgart (Hackenhäuser), stellv. Landesvorsitzender und Landeskulturwart der Egerländer in Baden-Württemberg. Am Anfang fasste Friedl die historischen Daten im frühen und Hoch-Mittelalter zusammen. Den Einwanderern wurde Boden angeboten, damit die Herrschenden aus den wirtschaftlichen Aktivitäten vermehrt Steuern einnehmen konnten. Die Städte wurden sehr oft nach dem deutschen Stadtrecht gebildet, das für die damalige Zeit sehr fortschrittlich war. Das Magdeburger Recht war damals in ganz Osteuropa sehr verbreitet. Das Egerland wurde vom Nordgau her besiedelt als Teil des damaligen „Bayerns“  „Lokatoren“ warben damals außerdem auch Deutsche ins Böhmische ein. Die neuen Siedler brachten auch fortschrittliche Methoden mit: Dreifeldwirtschaft, Räderpflug mit Streichbrett, langgestielte Sense oder Wasser- und Windmühlen.

Zeitzeuge berichtet…

Mit 91 Jahren berichtete Albert Reich als Zeitzeuge über die Zeit 1936 – 1946. Albert Reich war Mitbegründer vom AEK und ist heute noch Ehrenvorsitzender. Am Anfang erwähnte er das Schicksal der Deutschen aus Pommern, Danzig und anderen Menschen aus den Ostgebieten. „Die Heimat wurde uns geklaut, wir haben sie nicht verloren!“ so Reich. Reich wurde 1932 in Prag geboren. Dort war sein Vater Anton Reich nämlich in der Verwaltung von Erwin Graf von Nostitz-Rieneck angestellt. Seine Mutter Hermine Reich/Husz stammte aus dem ungarischen Burgenland. Albert ging in Falkenau und Wien zur Schule. Reich fuhr weiter „Die Egerländer hatten im Ersten Weltkrieg die meisten Toten zu beklagen.“ Reich hat als Kind auf die Kinderköpfe des kleinen Lichtensteiner Jungen Sand geschüttert, wenn sie gemeinsam in seinem Sandkasten spielten. Bis heute weiß noch Reich, wie damals das Horch-Auto beim Beladen für den Umzug roch. Die Mutter entschied „Wir fahren heim, nach Ebmeth!“ Eine Zeitlang lebten die Reichs auch im Falkenauer Schloss. Sie zogen dann nach Wien. Christian Strauss, Enkel vom Richard Strauss ging mit Reich in die gleiche Schule. Sein Vater stritt mit dem damaligen Landrat, um Leute aus dem KZ in Tachau zu befreien, so heftig, dass er das Tintenfass umkippte. Die eigene Vertreibung beschreibt Reich: die Wlasow- Gruppen waren in Ebmeth- und wurden dann von den Amerikanern an die Russen übergeben. Als Reich zum ersten Mal einen schwarzen Amerikaner sah, dachte er, der würde ihn fressen. Er bekam aber eine Schokolade von ihm. Als Reich dem Werwolfkapitän am Waldesrand sagte, sie sollen sich ergeben, dachte Reich, er erschießt ihn. Beim Abschied sagten die Amerikaner: „kommt doch nach Amerika!“ Die jungen tschechischen Soldaten von der „Swoboda-Armee,“ die nach den Amerikanern kamen, verhielten sich grausam, vor allem gegenüber den Frauen. Als sie dann bei der Vertreibung in den Zug verfrachtet wurden, wussten sie nicht, wohin es geht. Sie landeten in Südböhmen, in Tabor. Als eine alte Frau mit einer Milchkanne mit Wasser die Kinder versorgte, hat ein Soldat der Swoboda-Armee die Kanne mit dem Kolben der Waffe zerschlagen. Eine alte Tschechin hat damals den Kindern geholfen. Der nächste Weg ging in die Ostzone. „Ich lerne doch nicht Russisch, die Sprache des Feindes!“ so der kleine Albert.  Die Mutter hat er mit Dotter von Spatzeneiern mit einem Löffel gefüttert, sie war vom Hunger so geschwächt. Später kam er Gott sei Dank zu der Tante Liese nach Stuttgart, wo er seinem Vater begegnete. Mit Maisgries konnte der kleine Albert endlich sein Hunger stillen. Stuttgart war ausgebombt, es war damals wirklich sehr schwierig. Reich erwähnte dann noch die Gründungen der Landsmannschaften. Erste Patenschaft in Stuttgart: die deutschen Bessarabiendeutschen. Reich: „Ich war erster Mensch im HDO in Stuttgart.“ Ein kurzes Grußwort sprach zu den Anwesenden auch der Landrat von Wunsiedel Peter Berek: er kam gerade aus dem „Porzelanikon“ in Selb, wo an das Egerländer Kulturhaus der Preis der Euregio Egrensis verliehen worden war. Er erwähnte auch den Krieg im Nahen Osten. 

 

Einführung in die Ausstellung und Mundartlesungen

 

Im Auftrag vom Volker Dittmar, dem Direktor des Egerland-Museums, leitete Helmut Kindl zur Sonderausstellung „Reliefintarsien aus Eger“ ein Er beschrieb die Art, wie die Intarsien hergestellt wurden.  Grafische Bilder wurden als Vorlagen für die Intarsien benutzt. Kindl stellte auch die einzelnen Kunsthandwerker dar, wie z. B. Johann Georg Fischer. Nach der Kurzpräsentation gingen dann alle Anwesenden in den Museumskeller zur Ausstellung. Nach der Besichtigung versammelten sich dann wieder die Teilnehmer im Vortragssaal, um sich Mundartlesungen anzuhören. Auf dem Podium konnten drei Mundartsprecher begrüßt werden: Etta Engelmann aus Falkenau, Måla Richard aus Plachtin b. Netschetin und Rudi Klieber, geboren in Mokrau b. Luditz. Mit Mundartgeschichten und Mundartgedichten erfreuten sie die Gäste, die mit dem Verstehen der Egerländer Mundart selbstverständlich kein Problem hatten.

Willy Russ…

Štěpán Karel Odstrčil aus dem Egerer Museum brachte nach Marktredwitz den Vortrag: „Das Wirken von Willy Russ“ mit. Am Anfang seines Vortrages stellte Odstrčil den Lebenslauf von Russ vor und seine ersten Werke in Wien, wo er studierte. Kurz nach dem Einrücken in den Ersten Weltkrieg erkrankte Russ mit einer Gelenkentzündung und wurde als kriegsuntauglich erklärt. Er zog zurück mit seiner Frau nach Schönfeld bei Karlsbad. Willy Russ schuf z. B. auch ein Denkmal für die Gefallenen im Ersten Weltkrieg in Luditz. Sein Goethe-Denkmal in Marienbad wurde im Zweiten Weltkrieg für die Herstellung von Waffen eingezogen, weil es nur „ein regionaler Künstler“ schuf. Der Kernpunkt seines Vortrages wurde dem berühmten „Egerländer Kachelofen“ gewidmet. Odstrčil schnitt auch kritisch die Rolle vom Josef Hanika, dem Besteller des Ofens, an. Konrad Heinlein beauftragte damals Hanika für die Trachtenerneuerung des Sudetenlandes.

 

Neuseeland in Rawetz…

Dr. Ralf Heimrath (Neumarkt bei Plan-Weseritz) präsentierte in seinem Vortrag „Håns gäih huom“ die Lieder der Auswanderer aus dem Egerland nach Neuseeland. In Puhoi ließen sich damals im 19. Jhd. mehrere Familien aus dem jetzigen Kreis Pilsen-Nord (Städte Chotischau, Staab) nieder. Bei der Reise Heimraths nach Neuseeland in den 90er Jahren konnte er noch einige Aufnahmen machen. Das Sammeln von Noten und Texten war sehr schwierig. Es gibt aber Aufnahmen aus den 1960er Jahren vom Werner O. Droescher und aus den 1970er Jahren von Judith Williams. Ein Lied konnte Heimrath sogar in der Ukraine finden. Beim Lied „I und mei olds Wai“ hat man in Puhoi z. B. die letzte Strophe vergessen. Die Beschreibung der Finger, wie der Måla Richard in Plachtin von seiner Mama überliefert bekam: „Damenickl,“ „Breilecka,“ „Långahåns,“ „Fingerringl“ und „Christkindl“ ist auch noch heute in Puhoi bekannt.

Konzert zum Tagesabschluss

Nach dem Abendessen folgte ein Konzert vom Feinsten: das „Duo connessione,“ Tomáš Spurný (Klavier) und Carina Kaltenbach-Schonharst (Violine) brachten „Böhmische Raritäten“ nach Marktredwitz. Es wurden Werke gespielt von Johann Baptist Vanhal (böhmischer Komponist in Wien geboren), Joseph Wolfram in Dobrzan geboren und Wenzel Heinrich Veitt, in Leitmeritz geboren.
Nach dem Konzert folgte noch eine gemütliche Runde. Die Heilige Messe am Sonntagfrüh zelebrierte Mons. Karl Wuchterl (Nedraschitz b. Kladrau). An seiner Seite stand als Ministrant Richard Šulko. Die Predigt machte P. Wuchterl ein wenig anders: er hatte die erste Lesung vom Apostel Paulus kopiert, den Brief an die Christen in Rom. Danach rückten die Teilnehmer zusammen und diskutierten über den Inhalt mit der aktuellen Lage unserer Welt. Musikalisch wurde der Gottesdienst von Andrea Ehrlich, Ingrid Deistler und Gerhard Ehrlich begleitet.

Johannes von Tepl -Preis verliehen…

Der Anerkennungspreis „Johannes von Tepl“ ging an Sven Müller, dessen Mutter aus dem Kreis Plan-Weseritz stammte. Ralf Heimrath trug die Laudatio vor: Hobbys: reisen, fotografieren: da hat er viele Fotos im Egerland gemacht, neue Kontakte geknüpft. Erstes Buch: über seine Vorfahren, Infos musste er von seinen Tanten holen. Weitere Infos fand er im Heimatbrief und in den Familiendokumenten. Müller machte 5400 Fotos von Gräbern im ehemaligen Kreis Plan-Weseritz: daraus wurde ein zweisprachiges Buch herausgegeben. Am 20. 4. 2023 folgte eine Ausstellung in Bavaria-Bohemia, ein weiteres Buch über Zwangsarbeiter ist in Planung. In seiner Familie wurde über das Schicksal nichts gesprochen. Der Preis wurde vom Dr. Ralf Heimrath, Volker Jobst und Oswin Dotzauer übergeben. Der Preisträger stellte dann auch Ergebnisse seiner Arbeit vor. An dem Anfang stellte er seine Familie und Weseritz selber vor. „Bei den Friedhöfen geht´s bei mir ums Leben und nicht um den Tod. Wenn ich auf Reisen bin, besuche ich immer zuerst den Friedhof!“ so Müller. Alle diese Fotos sind in einer Datenbank im Internet mit allen Details aufrufbar. Er zeigte die Vielfalt der Art, wie die Friedhöfe erhalten sind: von kompletter Einebnung bis zum Erhalt im ursprünglichen Zustand (aber ohne Wartung). Den Schwarzglassplittern mit Inschriften widmete Müller einen größeren Teil seines Vortrages, sowie den Kindergräbern. Man findet sehr oft den Beruf des Verstorbenen auf den Grabplatten. Das ist heute nicht so üblich. „Ich konnte aber eine große Frömmigkeit auf den Friedhöfen nicht finden,“ so Müller. Der wohl geheimnisvolle Friedhof ist der jüdische Waldfriedhof in Dürmaul. Müller erlebte dort eine schöne Begegnung mit einer tschechischen Friedhofsbesucherin. „Es ist sehr wichtig, mit der Gemeinde über die eventuellen noch vorhandenen Grabsteine zu sprechen“, so fuhr Müller weiter. Von den Bürgermeistern hatte Müller keine Rückmeldung auf seine Arbeit bekommen, nach dem er an sie das Buch gesendet hatte.

Wenn der Dudelsack brummt…

Gerhard Ehrlich stellte in seinem Vortrag den „Notenschatz des Egerländer Kapellmeisters Johann Bachmann.“ Im Oberpfälzer Volksmusikarchiv war Ehrlich fündig: 120 Seiten handgeschriebene Instrumentenstimmen vom Johann Bachmann kopierte er. In der „Corona-Zeit“ übertrug Ehrlich die Noten in ein Notenschreibprogramm. Zwei bis drei Wochen Arbeit, bei der man feststellte, dass es eine Ballmusik war. Danach nahm Ehrlich in Mehrspurtechnik mit befreundeten Musikern einige Stücke auf. Eine sehr mühevolle Arbeit! Die daraus entstandene Aufnahme wurde dann für eine Muster-CD benutzt. Alle Lieder waren im 3/4-Takt und um die fünf Minuten lang. Daraus konnte man entnehmen, dass der Walzer bis zum Umfallen so im Jahr 1902 getanzt wurde. Georg Balling berichtete dann über den Lebenslauf vom Johann Bachmann. Bachmann wurde am 27. 3. 1860 in Katharinadorf b. Eger geboren und starb am 2. 11. 1933 in Eger. Seine Jugend verbrachte er in Katharinadorf und Wildstein. Bachmann war gelernter Schumacher. Neben dem Schumacher-Geschäft war Bachmann in seinen zweiten Beruf Musiker. Bachmann hatte sechs Kinder, eins ist verstorben. 1893 versuchte Bachmann im „Egerer Rathskeller“ seine ersten musikalische Erfolge zu erreichen, was ihm auch glückte. Die Klarinette spielte er bravourös. Bachmann war auch Leiter vom Rettungschor der Feuerwehr. (Quelle: J. Weimann!).

Nach der Zusammenfassung der Tagung und dem Schlusswort durch den AEK- Vorsitzenden Oswin Dotzauer wurde die AEK-Begegnung als beendet erklärt.

MR