Wenn man „zuzelt…“
(Medienseminar Goethe-Institut – Bayerischer Rundfunk, 30. April – 5. Mai 2023 in München)
Richard Šulko
Das Goethe-Institut organisierte gemeinsam mit dem Bayerischen Rundfunk für die Medien- und Pressevertreter der Deutschen Minderheiten in Mittel-Ost-Europa und Zentralasien in den Tagen vom 30. April bis 5. Mai 2023 in München ein Medienseminar. Das Thema war Rundfunkarbeit. Die zehn Teilnehmer, die aus acht Ländern kamen: Lettland, Kasachstan, Polen, Serbien, Rumänien, Ungarn Ukraine und Tschechien erlebten eine sehr intensive und praxisorientierte Arbeitswoche.
Den Beginn machte ein Kennenlernen-Stadtspaziergang in die Auer Dult. Rudolf de Baey, Referent für die Minderheiten vom Goethe-Institut holte die Teilnehmer vom Hotel ab und in einem schnellen Tempo ging es an der Heilig-Kreuz-Kirche in Giesing zu der Auer Dult am Mariahilfplatz. Dort konnten die Teilnehmer eine richtige Münchner Tradition erleben. Die erste Erfahrung mit den Profi-Verkäufern machte Frau Milica Stankić aus Serbien am Stand mit den Düften: „Sehen sie, erst wenn sie mehrere verschiedene, aber an sich abgestimmte Düfte zusammensetzen, kommt die richtige Atmosphäre!“ Das Abendessen wurde am berühmten Hockherberg eingenommen. Man erinnert sich sofort an das traditionsreiche Starkbierfest, insbesondere an die Auftakte: die Starkbierprobe in Kombination mit dem regelmäßig weit verbreitet mediale Aufmerksamkeit erregenden Politiker-Derblecken.
kHz, dB….
Am Montagfrüh startete die Runde mit der Vorstellung der Teilnehmer und des Teams, welches das Programm vorbereitet hatte. Neben dem Rudolf de Baey stellte sich Elke Dillmann, Mitarbeiterin des Bayerischen Rundfunks und Medientechnikberater Rupert Jaud vor. Nach der Vorstellungsrunde, die Elke Dillmann moderierte, wurde es ernst: Rupert Jaud erklärte auf eine sehr lebendige Art das „Technikum“ der Aufnahmen: Laustärke, Ton, Schallwellen, Amplitude, Herz, Frequenz, Muskel im Ohr, Schallgeschwindigkeit, Distanzwahrnehmung. Auch die richtige Akustik für den Ort der Aufnahme wählen und: Immer Kopfhörer aufsetzen! Einen ganz wichtigen Punkt erwähnte Jaud am Ende des Vortrages: „nimmt bitte genug „Atmo“ (Atmosphäre) auf, etwa 2 Minuten, damit Sie genug für die Bearbeitung beim Schneiden haben!“ Elke Dillmann erklärte dann Modelle der Sendungen (Radioformate): Umfrage, Interview, Reportage, Hörspiel u. m. Für den nächsten Tag wurden dann die einzelnen Themen und Teams für die Reportage und Interviews gewählt: Seilbahn, Schifffahrt, Museum und die Alm.
Wenn man die Weißwurst operiert…
Am Dienstag ging es mit der Bahn nach Schliersee. Bei regnerischem Wetter ging es steil hinauf bis zu der Talstation der Seilbahn und mit ihr dann hoch auf die Schliersbergalm. Dort erwartete uns schon ein echtes „Bayerisches Frühstück“: Weißwurst mit Brezeln und Weißbier. Die Frau Imola Munteanu aus Rumänien nahm die schwere Aufgabe an, über das richtige Verzehren der Weißwurst eine Reportage zu machen. Rupert Jaud erklärte es mit eigenem Beispiel: „Die richtige Art sie zu essen ist, dass man sie „zuzelt“: in die Hand nehmen, in den süßen Senft eintunken und aussaugen. Salonfähiger ist es aber, wenn man sie in Längsrichtung aufschneidet und dann mit Messer und Gabel verzehrt.“ Das war an diesem Tag das „Hauptthema,“ denn mit der Dicken Haut hatte jeder zu kämpfen. Nach dem „Frühstück“ ging es mit der Seilbahn wieder ins Tal und die Schifffahrt war angesagt. Mit der jüngsten Kapitänin Deutschlands, Jasmin Lauber, ging es über den Schliersee nach Neuhaus am Schliersee zu Markus Wasmeiers Freilichtmuseum.
Wenn man den Bauer ermordet…
Irene Weber aus Baden-Württemberg führte auf eine sehr spannende Art und mit Begeisterung durch das Museum. Die wohl interessanteste Information war die, dass man die Pflanze „Eisenhut“ aus dem Kräutergarten auch für einen „freiwilligen“ Tod eines schwerverletzten Bauers nahm, wenn er mit Wundbrand im Wald lag. Für den Autor war wohl am interessantesten der Besuch eines alten Bauernhofes und der Brauerei, die bis heute eigenes Bier mit ursprünglicher Ausstattung braut. Ausgestattet mit gekauftem Likör ging es wieder zurück nach München, wo man im Hotel tot umfiel. Mittwoch gehörte dem Schneiden und Mischen der Beiträge. Nach vier Stunden hatte man so fünf Minuten Sendung: ein harter Job! Nach dem späteren Mittagessen ging es in die Stadt, in der die Teilnehmer dank Elke Dillmann eine fachkundige Führung bekamen. Die schönste Kirche war wohl die „Asam-Kirche“ in der Sendlinger Straße, die dem Hl. Johannes Nepomuk geweiht ist. Aber auch der neue Jüdische Tempel und der Dom zu unserer Lieben Frau zu München sind einfach wunderschön. Im Dom konnten die Vertreter der deutschen Minderheiten auch ein kleines Orgelkonzert erleben.
Auseinandersetzung mit Kriegsgegnern…
Beim Spaziergang zum Odeonsplatz sahen die Teilnehmer einen Protestzug durch die Straße ziehen. Die Themen waren vor allem „Frieden schaffen ist das oberste Ziel“, „Keine Waffen in Krisengebiete“, „Wirtschaftskrieg ist nur eine andere Art von Krieg“ und ähnlich. Die Bürgerinitiative zog mit einem großen Lärm durch die Straßen, gerade in dem Augenblick, als die Teilnehmer an der Spitze mit den zwei ukrainischen Teilnehmerinnen Svitlana Velbytska und Kabatsii Vitaliia vorbeigingen. Der Autor dieses Artikels ging mit ihnen vorbei und als sie das Transparent mit der Äußerung sahen, dass man politisch den Ukraine-Krieg beenden soll, haben die Ukrainerinnen deutlich gezeigt, dass sie damit nicht einverstanden sind. Sofort kam einer der Organisatoren auf uns zu und es entflammte eine heiße Diskussion. Diese Menschen verstehen nicht, oder wollen nicht verstehen, dass man auf dieser Art mit Aggressoren nicht verhandeln kann. Und dabei gab neben den Ukrainerinnen auch ich das Beispiel aus dem Jahre 1968, als die Russen unser Land überfielen. Diese Menschen wollen aber auch freiwillige Impfungen haben oder bezahlbare Energie- und Lebenshaltungskosten. Diese Einstellung ist mir auch aus meinem Land bekannt: dahinter stecken Menschen, oder Staaten, die die Einheit von Europa zerstören wollen. Diesen Menschen kann man aber ihren Glauben auch mit Argumenten nicht ändern, auch wenn sie vor sich die Kriegsopfer sehen. Die miese Laune aus dieser Demo wurde dann im Englischen Biergarten bei Bier und „Obazda“, vorbereitet durch Rudolf de Baey, verbessert. Weil es aber schon zu spät und kalt war, konnte der Autor nur eine Mass genießen, deswegen führte sein Weg noch mit drei Teilnehmerinnen in den Münchner Ratskeller, wo man den Biergenuss nachholte.
Arbeitsfinale….
Donnerstagvormittag wurden dann die einzelnen Sendungen durchgesprochen und bewertet. Mit dabei war die Leiterin der Medienkompetenzprojekte vom BR, Isabella Schmid. Die hat dann gemeinsam mit Rupert Jaud und Elke Dillmann die Zertifikate an die Teilnehmer ausgehändigt. Am Abend bereitete Elke Dillmann ein Schmankerl vor: ein Konzert des Symphonie-Orchesters des Bayerischen Rundfunks im Herkulessaal der Münchner Residenz. Dirigent Antonello Manacorda und der Klavierspieler Kirill Gerstein präsentierten Werke von Franz Schubert und Maurice Ravel. Einfach wunderschön! Auch durch die Umbauten an der Münchner U-Bahn kamen die Teilnehmer erst um Mitternacht ins Hotel. Das kulturelle Erlebnis war jedoch so stark, dass man noch eine Stunde über einem Glas Mojito oder Bier diskutierte.
Rolle als Kläger…
Am Freitagvormittag ging für den Autor ein Traum in Erfüllung: Begegnung mit Evi Strehl von der Sendung „BR Heimat“ im Bayerischen Rundfunk. Evi Strehl ist ein Oberpfälzerin. Bevor sie zum Radio kam, war sie als Kreisheimatpflegerin der Jugend in Amberg/Sulzbach aktiv. Musikalisch geprägt hat sie ihr Großvater schon seit ihrer Kindheit. Auch in Sulzbach-Rosenberg hatte sie den Seff Heil kennengelernt, den Bundesvorsitzenden des „Bundes der Eghalanda Gmoin.“ Damit wurde auch das Egerländer Kulturgut in dieser Sendung präsent. Der Autor dieses Artikels war über seine zwei CDs mit Evi Strehl geistig verbunden, aber sich persönlich zu treffen und miteinander eghalandrisch za riadn ist halt ganz was anderes. Auch ein tolles Erlebnis war mitzuschauen, wie die Sendung Live gemacht wird. Im Studio besuchten wir die Redakteurin Hermine Kaiser im Gespräch mit der Autorin der Autobiografie: „Franz Herzog von Bayern“. Der letzte Programmpunkt war die Mitwirkung bei den Aufnahmen der Station „Puls Radio“ des Bayerischen Rundfunks: „iam.justmyself. In dieser Live-Serie auf Snapchat und Instagram wird das Leben einer 19 Jahre alten Lotte gezeigt, wie es heute die jungen Menschen verbringen. Der Sendeteil, bei dem auch die Kursteilnehmer waren, behandelte eine Szene beim Gericht, wo die Straftat Lottes (Anzünden einer Scheune) behandelt wurde. Der Autor hat sogar eine kleine Rolle als Kläger (Herr Gruber) bei diesen Aufnahmen bekommen. Die verantwortliche Redakteurin ist Silke Struhkamp. Nach den Aufnahmen besuchten noch einige das Goethe-Institut, einige eilten zu ihren Bahnverbindungen.
Ein großer Dank an die Organisatoren, es war sehr intensiv, sofort in die Praxis umsetzbar und mit offenem Herzen und Freude vorbereitet! Die Teilnehmer freuen sich schon jetzt auf die Folgeseminare!