Restaurierter Ruß-Kachelofen der Öffentlichkeit übergeben.
- November 2022 im Egerer Stadtmuseum
Im Egerländer Schönfeld/Krásno wurde am 7. Juni 1887 Willibald Ruß (Künstlername Willy Ruß) geboren. Er besuchte die Fachschule für Keramik in Teplitz-Schönau und dann studierte Ruß Bildhauerei an der Wiener Kunstgewerbeschule. Ab 1906 arbeitete er für die Wiener Werkstätte und ab 1910 als freischaffender Künstler in Wien. Nach seiner Heirat mit Anna Ruppert kehrte er nach Schönfeld zurück und richtete sich dort eine keramische Werkstatt ein. Ruß schuf Gebrauchskeramik und Figuren im Stil des Art Déco, Kruzifixus- und Mariendarstellungen, aber auch Entwürfe für Denkmäler, etwa das Goethe-Denkmal von Marienbad. Das wohl bekannteste Werk ist jedoch sein Egerländer Volkstum-Kachelofen, der nach jahrzehntelangem Martyrium und dreijähriger Restaurierung der Öffentlichkeit freigegeben wurde.
Am 10. November 2022 versammelten sich etwa 40 Menschen um bei dem historischen Augenblick dabei zu sein. Nach einem Musikstück, vorgetragen von Patrik Labickin aus Asch auf dem Akkordeon übernahm das Wort Mag. Michal Beránek vom Egerer Museum und begrüßte die Anwesenden. Nach kurzer Einleitung bekam das Wort die Museumsdirektorin Dipl.- Ing. Martina Kulová, die sich noch sehr gut an die erste „Begegnung“ mit dem Ofen erinnerte: „Ich habe ihn zum ersten Mal im Jahre 2016 gesehen, als ich überlegen musste, wie wir ihn aus den Kasematten der Egerer Burg ins Museum kriegen.“ Den Fachvortrag über den Ofen trug Frau Dr. Iva Votroubková vor. Ihre ersten Worte waren eigentlich eine „Liebeserklärung“ an den Ofen: „ich stamme aus Pardubitz, aber nachdem ich die Ofenteile im Kohlehaufen auf der Elbogener Burg sah, wurde der Ofen sofort zu meiner Herzensangelegenheit.
Die Geschichte des Ofens als bewegte Geschichte des Egerlandes…
Die Geschichte des Kachelofens spiegelt die Geschichte des Egerlandes wider. Im Auftrag des Pädagogen und Ethnografen Josef Hanika wurde ein weltweit einzigartiges Werk geschaffen, welches dem Museumsbesucher an einem großen Ausstellungsstück das ganze Volkstum des Egerlandes zeigen sollte. Eigentlich sollte der Ofen den 140 Quadratmeter großen Ausstellungsraum beheizen. Der riesige Ofen hat eine Größe von 286 x 145 cm und eine Höhe von 238 cm. Die Idee entstand im März 1941, also im Krieg. Ab Mai 1941 wurde mit dem Sammeln von Geldern begonnen. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 12000 RM, davon beteiligte sich die Stad Eger mit 3000 RM. Die Zusage der Gelder kam aber erst im Oktober 1941, der Künstler arbeitete aber umsonst schon seit Frühjahr 1941 daran. Der Sockel ist als klassischer Ofenbau hergestellt, der eigentliche Ofen ist aber als Bildhauerisches Werk hergestellt worden: aus Ton und dann ist der ganze Ofen zersägt worden und die einzelnen Teile wurden ausgebrannt.
Aus der „Volkstumsbibel“ geschöpft….
Die detaillierten Informationen über die Trachten, Bräuche und Sitten, sowie der Lebensteile eines Egerländers schöpfte Willy Ruß aus dem Buch „Deutsche Volkstrachten und Volksbräuche Westböhmens“ vom Karlsbader Lehrer und Volkskundler Josef Hofmann. Die einzelnen Farben wurden aus den Bildern von Gustav Zindel oder aus den kolorierten Fotos vom Karlsbader Anton Drumm entnommen. Im Oktober 1944 wurde der Ofen fertiggestellt und sollte in Eger aufgestellt werden. Wegen der Bombardierung der Stadt wurde das Lebenswerk von Ruß jedoch in seinem Atelier in Schönfeld gelassen. Weil er aber nicht beheizt war, war eine große Gefahr, dass die einzelnen Keramikteile zu Schaden kommen könnten. Es kam aber noch schlimmer: Mit den sog. „Benesch-Dekreten“ wurde Willy Ruß enteignet und sein ganzes Werk gehörte ihm nicht mehr. Willy Ruß wurde dann 1946 mit seiner Familie aus dem Egerland nach Unterfranken vertrieben, wo er zunächst in Irmelshausen, dann ab 1955 in Kleinbardorf und schließlich ab 1963 in Merkershausen lebte. Finanzielle Engpässe und gesundheitliche Einschränkung ließen ihn bis zu seinem Tod 1974 nicht mehr an seine frühere Schaffensphase anknüpfen.
Jahrzehntelanges Hin- und Her……
Im Februar 1946 stellte das Museum in Eger eine Anfrage, den Ofen dorthin zu platzieren, wohin er ursprünglich hingehörte. Inzwischen war der Ofen in Elbogen in einer „Aufbewahrung“ gelandet. Aus Elbogen kam jedoch keine Antwort und der Ofen wurde 1948-1952 im Rittersaal der Elbogener Burg gezeigt. Das Egerer Museum schrieb und schrieb, aber Elbogen spielte einen toten Käfer. Im Jahre 1972 wurde der Ofen wegen seiner „ideologischen Belastung“ wieder von dort entfernt. Im Jahre 1982 kam ein Telefonat aus Elbogen ans Egerer Museum: „wir haben etwas für Sie im Keller.“ Nach der Reinigung nicht nur von der Kohle, in welcher die Einzelteile „gelagert“ waren, wurde der Ofen 1994 in den Kasematten der Egerer Burg ausgestellt, jedoch konnte ihn jeder anfassen und weitere Beschädigungen folgten. Im Jahre 2020 beschloss man, den Ofen erneut grundlegend zu restaurieren. Der Bezirk Karlsbad stellte 1,2 Millionen Kronen zur Verfügung und die Renovierungsarbeiten konnten beginnen. Die Prager Künstlerin Sylva Antona Čekalová und der Restaurator Michal Raušer brauchten dann fast drei Jahre, bis das Prachtstück fertig war. Der Grund war nicht nur die Corona-Pandemie, sondern auch die Tatsache, dass die einzelnen Keramik-Teile in der Egerer Burg mit Zement verbunden worden waren und durch die nicht ordentlichen Lagerungen Salze in der Masse auftraten. Nicht vergessen sollte man einen Rechtsstreit zwischen den Städten Elbogen und Eger, welcher auch paar Jahre dauerte, denn Elbogen wollte den Ofen zurückhaben.
Für jeden Egerländer ein Mus!
Frau Sylva Antona Čekalová sagte bei der Enthüllung: „Ich kenne keine andere so gute und präzise Arbeit, die eine solche Behandlung aushalten würde. Es ist einfach ein Wunderwerk!“ Für uns Egerländer gehört der „Volkstumsofen“ vom Willy Ruß zu unserem kulturellen Erbe, welches wir nur aus den Fotos und Bildern kennen, jedoch jetzt wieder in 3-D bewundern können. Mit der Darstellung unserer Trachten aus dem ganzen „weiten Egerland“ haben wir die Trachten plastisch vor unseren Augen und können uns inspirieren lassen. Besucht das Egerer Museum und genießt auf einem großen Ausstellungsstück unser Egerländer Kulturgut, welches es in diesem Umfang nicht mehr gibt!
M.R.