Lege nicht die Angel aus der Hand, auch wenn kein Fisch anbeißt
(44. Mundarttreffen in Bad Kissingen hybrid, 25.- 27. August 2021)
Richard Šulko
Die Heimatpflegerin der Sudetendeutschen, Frau Christina Meinusch M.A., lud zu der alljährlichen Mundarttagung der Sudetendeutschen nach Bad Kissingen ein. Der Heiligenhof konnte also doch die Autoren und Interessierten im Jahre 2021 begrüßen, auch wenn die Begegnung wegen Corona erst Ende August und nicht, wie üblich, in März, stattfinden konnte. Das Motto dieser Begegnung lautete: „Heimat-Identität-Mundart“. Bei dieser Tagung wurden auch Aufnahmen für das Projekt: „Heimat im Ohr-Mundart im Netz“ gemacht.
Nach der Begrüßung durch Frau Ingrid Deistler, der Vorsitzenden des „Freundeskreises Sudetendeutscher Mundarten“, die zuerst des verstorbenen Ehrenvorsitzenden Dr. Horst Kühnel und zwei weiter Mundartfreunde gedachte, führte Frau Meinusch ins Programm ein. Sie stellte auch eine Frage: „Was bedeutet es für mich die Mundart zu sprechen?“ Eine große Neuigkeit bei diesem Treffen war die Tatsache, dass es ONLINE für die übertragen wurde, die nicht persönlich dabei sein konnten. Gleich am Anfang wurde es spannend: „So, jetzt darf jeder seine Hausarbeiten vortragen“, schoss Ingrid Deistler gleich los. Ein „Limerick in Mundart“ war das Thema. Nach den einzelnen Darbietungen ging es zum Abendessen. Der anschließende Abend gehörte allen Mundartsprechern. Zuerst folgte aber eine Vorstellungsrunde.
Kuh Lieselotte
Ein sehr schönes Beispiel der Altvater-Mundart trug Lorenz Loserth vor: „Die Geschichte der Kuh Lieselotte im Urlaub“. Im Rahmen der Tagung bekam Ingrid Deistler die Dankurkunde der Sudetendeutschen Landsmannschaft für ihre langjährige Arbeit für den Erhalt der Sudetendeutschen Mundarten. In der Dankesrede fasste Frau Zuzana Finger die Jahre ihrer Vorstandschaft und ihre Erfolge zusammen. Mit der schönen Mundart und einem Glas Wein oder Bier ging der erste Seminartag zu Ende. Der zweite Tag begann mit dem Vortrag zum Thema: „Finite Werben in den Mundarten Mährens und Schlesiens.“ Der Vortragende kam aus Brünn: Dr. Mojmír Muzikant CSc. von der dortigen Universität (em.).
Wilhelmshafen am Heiligenhof
Frau Eva Haupt M.A., Kuratorin im Sudetendeutschen Museum, brachte das Thema „Mundart im Sudetendeutschen Museum“ nach Bad Kissingen. Zuerst stellte Frau Haupt kurz das Sudetendeutsche Museum vor. Die Mundarten werden im Museum z.B. in der Hörstation „Bräuche“ dargestellt. Interaktiv kann man durch die einzelnen Mundartgebiete gehen und zu verschiedenen Bräuchen im Jahreslauf einzelne Mundartsprecher anhören. In der Inszenierung eines Caféhauses kann man versuchen in einem Quiz die einzelnen Mundartgebiete zu erkennen. Der nächste Bereich, wo man die Mundarten behandelt ist in der Abteilung „Angekommen-angenommen?“
Redialektisierung
Die aus Wilhelmshafen kommende Frau Dr. Zuzana Finger brachte eine positive Nachricht aus dem Norden mit: „Wer eine Mundart kann, ist stärker daheim.“ Die „Redialektisierung“ der Hanse-Sprache ist ein interessantes Thema im Bezug zum Tourismus. Ein Begriff aus dem Vortrag sprach mich an: „dialektales Rückzugsgebiet.“ Wie kann man wohl den Verlust der Mundarten im Sudetenland bezeichnen? Ortsschilder im Ostfriesland sind z.B. zweisprachig: in Deutsch und in Mundart. Die Touristen finden das „sehr cool.“ Das alles fällt unter die „Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen.“ Die Maßnahmen, der in den III Kapiteln angeführten Aktivitäten, müssen ALLE gemeinsam praktiziert werden. Ein Sprichwort bildete das Schlusswort des Vortrages: „Lege nicht die Angel aus der Hand, auch wenn kein Fisch anbeißt.“
Wir Noppern….
Dieter Schaurich aus Neugablonz, einem Stadtteil von Kaufbeuren, stellte nach dem Mittagessen das Projekt „wir-noppern.de“ vor. Mit der Musikkapelle „MAUKE die Band“ wird die „Paurische Mundart“ auf eine sehr lebendige Art der Bevölkerung nähergebracht. Um die Zuschauerzahl bei den Konzerten und die Leserschaft der Zeitungskolumne „Nej suwos“ zu vergrößern, kam Schaurich mit einer Idee: Mit Videos die Artikel in der Paurischen Mundart in der „Allgäuer Zeitung“ zu ergänzen. Ergänzend wird noch ein Flyer ausgeteilt und es ist auch ein Videolehrgang zur „Paurischen Mundart“ geplant. Sogar die Kebab-Verkäufer sollen in der Zukunft angesprochen werden. Wäre es nicht schön, so etwas auch mal in der tschechischen Presse zu versuchen? Ein Thema z.B. für den Minderheitenausschuss im Bezirk Karlsbad?
Heimat-Identität-Mundart
Edwin Bude berichtete für die deutsche Seite über seine Erfahrungen mit Identität, Mundart und Heimat. Seine Vorfahren stammen aus der Lindewiese im Alvatergebirge. Die Familie war ihr ganzes Leben dem Österreichischen Kaiser treu geblieben. Bude ist auch der Autor des „Sudeten-TV.“ Eine sehr interessante Geschichte erlebte Bude, als er als Fußballspieler mit den bayerischen Jungs spielte und als „Rucksackel-Deutscher“ beschimpft wurde. „Sport und Musik verbindet“, so Edwin Bude zum Schluss seines Vortrages. Dr. Richard Rothenhagen, der aus dem Isergebirge stammt, berichtete zuerst über den Atlas der Deutschen Mundarten in Böhmen und Mähren, an dem er über viele Jahre für die Universtäten Brünn, Leipzig und Regensburg mitarbeitete. „Heimat ist ein dehnbarer Begriff, “ so Rothenhagen am Anfang zum Thema. Die Mundart kann man von der Heimat und der Familie nicht trennen. Das alles ist Identität. Die heutige Mobilität der jungen Menschen in der ganzen Welt lässt die Mundarten nicht so überleben, wie es früher möglich war. Der Donnerstagabend gehörte wie üblich den Vorträgen der einzelnen Mundartsprecher. Schade nur, dass man wegen den Corona-Schutzvorschriften im Tagungsraum nicht singen durfte.
Arbeitsgruppen
Der letzte Tagungstag gehörte einem Workshop, in dem man die weitere Vorgehensweise für den Erhalt und die Weiterentwicklung der Mundarten behandelte. Nach der einstündigen Beratung von drei Arbeitsgruppen kam es zur Evaluierung in der gemeinsamen Runde. Es wurde der Tatbestand festgehalten und Themen für die Zukunftssicherung spezifiziert. Die nächste Tagung findet in den Tagen 4.- 6. 3. 2022 statt, also das erste Wochenende im März, wie üblich.
Der Dank geht an folgende Institutionen, die dieses Projekt unterstützten: die „Sudetendeutsche Stiftung“, der „Adalbert Stifter Verein“ und die „Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien.“